Nachfolgend ein Artikel vom Montag, 7.7.2008, in der Berliner Morgenpost (Bilder bitte auf Website anschauen):
Berliner Siedlungen sind jetzt Weltkulturerbe
Das Welterbekomitee der Unesco hat sich entschieden: Sechs Berliner Wohnsiedlungen aus den 20er-Jahren, errichtet von berühmten Architekten der Moderne, bekommen nun den begehrten Titel "Weltkulturerbe".
Bei der Sitzung im kanadischen Quebec entschied sich die Unesco-Welterbekomitee für die sechs Siedlungen der Moderne, teilte die Deutsche Unesco-Kommission in Bonn mit. Die denkmalgeschützten Siedlungen repräsentierten einen neuen Typus des sozialen Wohnungsbaus aus der Zeit der klassischen Moderne, hieß es zur Begründung. Sie hätten beträchtlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Architektur und Städtebau ausgeübt.
Gewürdigt wird damit eine ungewöhnlich Form des sozialen Wohnungsbaus: Architekten wie Bruno Taut, Walter Gropius und Hans Scharoun schufen funktionale, schlichte Wohnanlagen. Sechs dieser „Siedlungen der Moderne“ stehen nun auf der Welterbe-Liste der UN-Kulturorganisation Unesco. Stellvertretend auch für andere Sozialbauten aus der Weimarer Republik hatte das Land Berlin für sie 2006 einen Antrag bei der UN-Kulturorganisation eingereicht. Berlin hat mit der Museumsinsel und den Preußischen Schlösser und Gärten bereits zwei Stätten in der Liste.
Errichtet wurden die nun von der Unesco geadelten Wohnsiedlungen innerhalb von zehn Jahren bis Ende der 20er-Jahre: die sogenannte Weiße Stadt, die Gartenstadt Falkenberg, die Siedlung Schillerpark, die Hufeisensiedlung Britz, die Wohnstadt Carl Legien sowie die Großsiedlung Siemensstadt. Neben Taut, Scharoun und Gropius waren Architekten wie Otto Bartning, Hugo Häring, Martin Wagner und Heinrich Tessenow beteiligt.
In der Weimarer Republik fehlten in Berlin 130.000 Wohnungen. Die, die es gab, waren häufig dunkel, eng und feucht. Die Weimarer Verfassung garantierte jedoch „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung“. Zusammen mit der Avantgarde aus Kunst und Architektur versuchte die Politik, ihre sozialpolitischen Utopien umzusetzen. Anders als in den Mietskasernen des 19. Jahrhunderts waren in den avantgardistischen Berliner Sozialbauten Bad, Toilette und Zentralheizung Pflicht. Die Grundrisse orientierten sich am Ideal der Kleinfamilie, es gab getrennte Zimmer für Wohnen und Schlafen, es gab Balkon oder Loggia. Düstere Hinterhöfe gehörten der Vergangenheit an, die Anlagen waren hell, die Bewohner sollten in den Grünanlagen Erholung finden.
Die Siedlungen sind auch heute noch begehrt. Immer mehr junge Familien zögen in die mittlerweile größtenteils sanierten Quartiere, meldete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Wohnungen seien als stadtnahe Alternative zum Umland gefragt. Mietverträge würden nicht selten von einer Generation an die nächste vererbt. Der Leerstand liege deutlich unter dem Berliner Durchschnitt. Rund 10.000 Menschen leben momentan hier. Die Wohnungen sind heute häufig in Privatbesitz.
Die Unesco hatte zuvor bereits drei Stätten in China, Saudi-Arabien und Mauritius auf ihre Welterbe-Liste gesetzt. Dabei handelt es sich um die archäologische Stätte Al Hidschr in Saudi-Arabien, Erdhäuser in der chinesischen Provinz Fujian sowie den Berg Le Morne auf Mauritius. Mit dem Kulturdenkmal Al Hidschr hat das im kanadischen Québec tagende Welterbe-Komitee am Sonntagabend (Ortszeit) erstmals einen Ort in Saudi-Arabien auf die Liste des Welterbes aufgenommen. Es ist die größte erhaltene Stätte der Nabatäer-Kultur südlich der historischen Felsenstadt Petra in Jordanien.
In der Provinz Fujian im Südosten Chinas darf sich künftig ein Ensemble von 46 Rundbauten, sogenannten Tulous, aus dem 12. bis 20. Jahrhundert mit der begehrten Auszeichnung schmücken. Als schützenswert erachtete das Komitee außerdem den Berg Le Morne auf Mauritius, der im 18. und frühen 19. Jahrhundert ein Versteck für entlaufene Sklaven war. Die Unesco berät noch bis Donnerstag über 40 Bewerbungen um Aufnahme auf die Welterbe-Liste, die mittlerweile 854 Stätten weltweit umfasst.
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